Name: Philipp Treudt
Wohnort: Köln
Projekt: KHT_beyond_the_gallop
Website: www.philipptreudt.de
Instagram: @philipp.treudt
SZ-Magazin: Wie kamen Sie dazu, sich mit Hobby Horsing zu beschäftigen?
Philipp Treudt: Ich habe zufällig einen Dokumentarfilm der finnischen Regisseurin Selma Vilhunen gesehen: Hobbyhorse Revolution. Der Film zeigt Mädchen in Finnland, die Hobby Horsing für sich entdeckt haben. Die Leute darin kamen aus den verschiedensten sozialen Schichten, es geht viel um die Gemeinschaft, das hat mich sehr berührt. Mein Sohn ist gerade zwölf, kommt in die Pubertät, und die Frage nach der eigenen Identität spielt eine große Rolle, das beschäftigt mich dadurch auch. In Deutschland gab es in den Medien noch wenig dazu – vor allem wenige Beiträge, die Hobby Horsing unvoreingenommen abbilden.
Es sind hauptsächlich junge Mädchen auf Ihren Fotos, spiegelt das die Realität im Hobby Horsing?
Ja, zirka 98 Prozent sind Mädchen. Vom Alter her bewegt es sich zwischen sechs und 16 Jahren, mit der Zeit wird sich das bestimmt noch ein bisschen verschieben. Hobby Horsing stammt aus Finnland und ist erst später in Deutschland angekommen. Aber es wächst jetzt auch hier stark, Veranstalter werden von den Anmeldungzahlen für Wettkämpfe immer wieder überrascht. Erste Verbände bilden sich.
Woran liegt es, dass der Sport sich so schnell ausbreitet?
Social Media ist ein großer Faktor, Tiktok ist in diesem Alter extrem stark verbreitet. Da geht es um Sichtbarkeit, kreative Selbstinszenierung, digitales Storytelling – all das kann man super gut mit Hobby Horsing machen, weil man permanent Videos produzieren kann. Ich glaube, es geht auch stark um Identitätsbildung und Rollenwechsel, also um die Frage: Wer kann ich online sein?
Auch wenn Hobby Horsing ein Social-Media-Phänomen ist, gibt es mittlerweile einige Veranstaltungen und Turniere, die Sie für Ihre Serie auch besucht haben. Wie kann man sich so ein Turnier vorstellen?
Ich war auf einem Qualifikationsturnier für die Mitteldeutschen Meisterschaften in Eisenberg in Thüringen, das war sehr klassisch: eine große Turnhalle mit verschiedenen Feldern für verschiedene Disziplinen und Training. Die Mädchen kommen an, gehen zur Anmeldung, connecten sich, machen Videos von sich, von den Pferden, hören Musik. Jede wird angefeuert. Ich habe so eine unterstützende Atmosphäre selten erlebt. Auf einem Musikfestival in Köln fand auch ein Hobby-Horsing-Turnier statt, mitten in einem Park. Und während es bei anderen Turnieren eher Eltern und Freunde sind, die zusehen, war das Publikum dort sehr gemischt. Das Festivalpublikum hat den Sportlerinnen Respekt gezollt, alle angefeuert und bejubelt, so dass sie da sehr stolz rausgehen konnten.
Wie groß ist der athletische Aspekt dabei?
Beim Springen geht es über Hindernisse von 1,35 bis 1,40 Meter. Das ist hoch, das schaffen wenige aus dem Stegreif. Wenn es um eine Kür geht, überlegen sie sich eine Musik und eine Choreografie dazu. Es geht vor allem darum, die Bewegungen des Pferdes zu imitieren, das ist schon sehr exakt. Viele der Mädchen reiten auch auf richtigen Pferden und sehen Hobby Horsing nicht als Ersatz, sondern als etwas Eigenes.
Hobby Horsing bekommt auf Social Media nicht einfach nur viel Aufmerksamkeit ab, es sind auch viel Spott und Häme dabei. Das geht schon in Richtung Mobbing.
Das stimmt, aber der Erfolg scheint sozusagen so magisch zu sein, dass man die negativen Begleiterscheinungen wie negative Kommentare unter Videos und Fotos auf Instagram oder Tiktok in Kauf nimmt. Ich glaube, dass die Mädchen sich in der Gemeinschaft extrem stark aufgehoben fühlen. Ich habe einige Interviews geführt, und jede der interviewten Sportlerinnen sagte, dass ein Hauptfaktor ist, Gleichgesinnte kennenzulernen. Es geht um das Gemeinschaftsgefühl. Das Hobby Horsing kann auch ein Rückzugsort sein – ein Gegenpol zu Problemen wie Schulstress, familiäre Konflikte, mentale Belastung.
Mobbing bedeutet aber eine enorme Belastung.
Absolut. Ich habe auch von Kindern gehört, die die Schule wechseln mussten, weil das zu weit ging. Da wurden Fotos oder Videos von ihnen in Gruppen durchgereicht und sich darüber lustig gemacht. Sicher verstecken das auch viele in der Schule und zeigen ihr Hobby nicht in diesem Umfeld. Aber auf die Sportlerinnen, die ich interviewt habe, trifft das nicht zu. Ich war überrascht, wie stark die Mädchen alle sind, dass sie da drüberstehen und sagen: Ich habe 3000 Follower auf Instagram, ich habe eine krasse Reichweite, ich habe coole Videos, das sollen die erst mal selber machen. Durch Social Media haben sie ja auch eine eigene Bubble, in der man sich gegenseitig unterstützt – dadurch entsteht eine gewisse Resilienz. Und sicher machen sich gerade die Jüngeren darum wenig Gedanken im Vorfeld, sondern beginnen ganz unbedarft mit Hobby Horsing, weil sie es irgendwo gesehen haben.
Wenn es vor allem junge Mädchen sind, die Hobby Horsing betreiben, fragt man sich schon, ob in dem Hass, den sie online bekommen, nicht eine gewisse Misogynie liegt.
Ich verstehe den Gedanken, finde aber, dass Frauen- oder Mädchenhass da vielleicht ein bisschen weit gegriffen ist. Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke und mir überlege, jemand wäre mit einem Steckenpferd in die Schule gekommen – ich glaube, da hätte jeder einen Spruch abbekommen. Der Junge, den ich für die Serie porträtiert habe, bekommt auch sehr viel Kritik zu hören, in Richtung von: Du bist kein Mann, wenn du auf einem Steckenpferd reitest.
Das kennen sicher auch Männer, die reiten. Pferdesport ist ja per se schon etwas eher weiblich Konnotiertes.
Das stimmt, und vielleicht ist es wirklich ein Stück internalisierte Misogynie, die daraus spricht. Aber wenn ich daran denke, wofür Kinder und Jugendliche sich gegenseitig mobben, dann ist es recht wahllos. Ob es das Hobby ist oder die falsche Jacke – Kinder können schon wirklich gemein sein. Umso schöner ist es zu sehen, welchen Zusammenhalt die Hobby-Horsing-Community untereinander hat. Das ist ein richtiger Safe Space, in dem man sich gegenseitig auffängt und unterstützt.