Soll ich meinem Sohn die Klassenfahrt verbieten?

Der Sohn unserer Leserin scheint mit rechtem Gedankengut zu sympathisieren, soll nun aber mit seiner Klasse das Anne-Frank-Haus besuchen. Eine schlechte Idee, weil er dort negativ auffallen könnte? Unsere Kolumnistin hat da eine klare Meinung.

Illustration: Serge Bloch

»Ich bin stolze Jungsmama, doch mein 16-Jähriger bereitet mir in letzter Zeit Sorgen. Ich habe mitbekommen, dass er rechte Inhalte im Internet konsumiert, und befürchte, dass er diese auch unterstützt. Ich bin davon überzeugt, dies kommt vor allem durch seinen Freundeskreis, der ihn stark negativ beeinflusst. Nun sollen alle gemeinsam auf Abschlussfahrt nach Amsterdam fahren, und ein Bestandteil derselben wird ein Besuch im Anne-Frank-Haus sein. Nun bin ich in großer Sorge, dass er und seine Freunde sich dort unangemessen verhalten (antisemitische Witze oder Ähnliches). Ich habe schon einmal versucht, mit ihm darüber zu reden, was er total abgeblockt hat. Soll ich ihm die Klassenfahrt verbieten?«Corinna S., Siegen

Ich versuche Ihre Logik zu verstehen: Sie glauben, es wäre besser, Ihr Sohn besucht das Anne-Frank-Haus nicht, um dort nicht unangenehm aufzufallen. Das ist sehr umsichtig, offenbart aber eine reine Außenperspektive auf Ihren Sohn. Wie wird er sich benehmen, was sollen andere Besucher oder die Museumswärter denken, falls er und seine Freunde sich dort danebenbenehmen? Sie kennen Ihren Sohn und werden Gründe haben, sich zu sorgen. Aber wäre nicht auch eine andere Perspektive auf diesen Museumsbesuch denkbar? Es könnte doch sein, dass Ihren Sohn die Geschichte des Hauses berührt. Dafür gibt es diese Orte ja, dafür werden sie konserviert und Besuchern geöffnet: damit der Holocaust keine abstrakte Erzählung ist, sondern nachvollziehbar wird. Damit man versteht: Das haben Menschen anderen Menschen angetan, und es ist noch gar nicht so lange her.

Ich habe die Pressesprecherin des Anne-Frank-Hauses gefragt, wie man dort auf störende Besucher reagiert. Annemarie Bekker mailte aus Amsterdam, man sei in diesem Museum gefasst darauf, dass junge Besucher mit unterschiedlichem Bewusstsein, Reifegrad und manchmal problematischen Ansichten kommen können. »Unser Personal ist geschult, ein respektvolles Umfeld für alle Besucher zu schaffen«, schrieb sie. »Sollte sich ein Besucher, unabhängig von seinem Alter, antisemitisch, beleidigend oder störend verhalten, werden unsere Mitarbeiter dies sofort ansprechen.« Je nach Art des Verhaltens könne dies zu einer Verwarnung, dem Abbruch des Besuchs oder der Einbeziehung der schulischen Aufsichtspersonen führen. Schwere Verfehlungen kämen aber selten vor.

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